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Fakultät Maschinenbau

Biologisierte Spanntechnik (BioSpann)

Der zunehmend industrielle Bedarf filigran ausgeführter Bauteile, z.B. aus schwer zerspanbaren Stahlwerkstoffen, erfordert angepasste Werkstück­spannvorrichtungen, die unter den spezifischen Herausforderungen einer deformationsarmen Einspannung eine präzise und prozesssichere Bearbeitung ermöglichen. Klassische Spannsysteme können infolge der oftmals ungünstig wirkenden Spannkräfte eine kritische Formabweichung und letztlich die Schädigung dünnwandiger Bauteile begünstigen. Ansätze zur Weiterent­wicklung konventioneller Spannvorrichtungen, die auf einer bionisch motivierten Oberflächenfunktionalisierung basieren, weisen erhebliche Potentiale auf, durch Maximierung der Reib- und Haltekräfte, den erforderlichen Anteil der Spannnormalkräfte zu reduzieren. Als Vorbild dient hierbei die Zeckenart Ixodes ricinus, die mit Kombinationsgreifwerkzeugen aus robusten Klauen und flexiblen Pads durch verhältnismäßig hohe Haltekräfte überzeugen kann.

Ein wesentliches Ziel stellt die Entwicklung einer Spannvorrichtung mit funktionalisierten Spannflächen für die prozesssichere Werkstückspannung deformationsempfindlicher Bauteile dar. Hierzu sollen neuartige Ansätze auf mikro- und nanostruktureller Ebene zusammengeführt werden, um eine biologisierte Spannkontaktfläche zu entwickeln, die anhand eines gesteigerten Reibschlusses zwischen Werkstück und Spannelement eine effizientere Kraftübertragung realisieren kann. Darüber hinaus gilt es, relevante Charak­teristiken des resultierenden Spann- und Bearbeitungsprozesses mittels Sensorintegration zu erfassen und darüber die Prozesssicherheit zu steigern und die Wirksamkeit der entwickelten Werkstückspannflächen zu evaluieren.

Zur Erreichung der Zielsetzung ist unter Verwendung einer klassischen Spannvorrichtung ein repräsentativer Referenzfehler bei der Spannung eines deformationsempfindlichen Bauteils zu definieren. Im weiteren Vorgehen wird die technologische Expertise des Instituts für Spanende Fertigung (ISF) und des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) im Bereich der Ober­flächen­strukturierung sowie -beschichtung mittels PVD-Kohlenstoff­schichtsystemen auf den spanntechnischen Kontext fokussiert und weiter­entwickelt. Ausgewählte Oberflächenmodifikationen werden in einem Prüfstand hinsichtlich ihrer Haltekraft erprobt und anschließend zu einem hierarchisch funktionalen Oberflächensystem zusammengeführt. Die resultierenden Spannelemente mit optimiertem Reibschluss in der Kontaktzone werden in Abstimmung mit dem Industriepaten ROEMHELD Gruppe an einem Demonstrator-Werkstückspannsystem für eine belastungsangepasste Span­nung validiert. Zusätzlich wird die Spannvorrichtung mit entsprechender Druck- und Körperschallsensorik funktional erweitert, um eine Bewertung des Spannprozesses anhand von Spanndruck und Kontaktsituation bei minimierter Bauteildeformation zu ermöglichen.

Abschließend soll das Demonstratorsystem des Forschungsprojektes in Abstimmung mit innovativen Endanwendern aus der Kunststoffverarbeitung, Automotive- und Luftfahrtindustrie im industriellen Fertigungsumfeld zu einem prototypischen Spannsystem überführt werden. Nach Evaluierung techno­logischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist die Übertragung auf Serienprodukte ein wesentlicher Schritt, die Leistungsfähigkeit der Produktpalette von KMU heute und für zukünftige Trends im Bereich der Fertigung sowie für den Einsatz neuer Werkstoffe zu stärken. Der Beitrag zur Produktivität von Bearbeitungsprozessen wird durch die Reduktion von Ausschussteilen ergänzt, worüber die Effizienz der Material- und Energie­ausnutzung sowie die ökonomische und ökologische Konkurrenzfähigkeit von KMU im nationalen und internationalen Marktumfeld gesteigert wird.

© ISF
Spannflächenkonzept b) Bionisch motiviertes Struktur-Schicht-System c) Modifizierung des Struktur-Schicht-Systems mittels kompressibler Kontaktschicht