Zum Inhalt
Fakultät Maschinenbau

Konventionelles Doppelseitenschleifen war gestern: Neue Anforderungen benötigen neue Bearbeitungsstrategien

Im Sommer 2022 hat die EU-Kommission einen Entwurf zur künftigen Regulierung von Feinstaubemissionen durch Reibungsbremsen von Kraftfahrzeugen vorgelegt. Der Regulierungsprozess soll sich am Zeitplan für die Einführung der EU7- Norm für motorische Emissionen orientieren. Das Inkrafttreten der Regelung ist ab dem 01.07.2025 geplant.

Der favorisierte Ansatz zur Feinstaubreduktion in der Automobilindustrie ist die hartstoffbeschichtete Bremsscheibe. Hierbei wird auf die Reibringflächen der Guss-Bremsscheibe eine entsprechende Beschichtung aufgebracht, welche sich i.d.R. aus einer metallischen Matrix mit Hartstoffpartikeln zusammensetzt. Durch den hohen Verschleißwiderstand kann der Gesamtabrieb am Bremssystem deutlich reduziert werden. Bedingt durch den hohen Verschleißwiderstand stellen die Beschichtungssysteme jedoch eine große Herausforderung an die Zerspanbarkeit dar. Daher können nicht mehr, wie bei konventionellen Gussbremsscheiben, Feindrehprozesse zur Bearbeitung der Reibringflächen eingesetzt werden. Eine wirtschaftliche Bearbeitung der beschichteten Bremsscheiben unter Einhaltung der hohen Qualitätsanforderungen ist durch das Doppelseitenschleifen realisierbar.

Aufgrund der schlechten Zerspanbarkeit der Beschichtungen benötigt der Prozess hohe spezifische Flächenpressungen, um den Abtrag an der Bremsscheibe bei den industriell geforderten Taktzeiten sicherzustellen. Bei planer Ausrichtung von Schleifscheiben zu Bremsscheibe müssen konventionelle Doppelseitenschleifmaschinen durch höhere Spindelleistungen und höhere Steifigkeiten modifiziert werden, um die notwendigen Flächenpressungen in der Kontaktzone zwischen Werkzeug und Werkstück zu gewährleisten.

Die Thielenhaus Technologies GmbH verfolgt im Gegensatz zu anderen Maschinenhersteller den Ansatz, nicht durch kostenintensive Anpassung der Maschinenkomponenten höhere Normalkräfte im Prozess zu realisieren, sondern den Abtrag an der Bremsscheibe durch eine smarte Bearbeitungsstrategie zu gewährleisten. Um die hohen spezifischen Flächenpressungen zu ermöglichen, wird die Kontaktfläche zwischen den Schleifscheiben und dem Werkstück reduziert, sodass während des Doppelseitenschleifprozesses eine Linien- bzw. Punktberührung vorhanden ist. Hierdurch entstehen im Prozess deutlich reduzierte Normalkräfte, wodurch geringe Steifigkeiten der Maschinenkomponenten und geringe notwendige Spindelleistungen bei der Bearbeitung ermöglicht werden. Durch die effiziente Bearbeitung erfolgt durch diese innovative Bearbeitungsstrategie eine ressourcenschonende und effiziente Zerspanung der verschleißbeständigen hartstoffbeschichteten Bremsscheiben in den geforderten Taktzeiten.

Dr.-Ing. Sebastian Schumann (Thielenhaus Technologies GmbH)