Werkstoff- und fertigungstechnische Ansätze zur effizienten Zerspanung von hochfesten austenitischen CrMn-Stählen
Austenitische Chrom-Mangan-Stähle mit vergleichsweise hohem Gehalt an interstitiell gebundenem Kohlenstoff und Stickstoff, auch High-Interstitial-Steels (HIS) genannt, zeichnen sich durch vielseitige Eigenschaften als Hochleistungswerkstoffe aus: Zum einen verfügen sie über eine hohe Festigkeit im lösungsgeglühten Zustand, wodurch sie als verschleißbeständige Konstruktionswerkstoffe für mechanisch belastete Komponenten eingesetzt werden können. Aus HIS gefertigte Bauteile sind dabei aufgrund des gesteigerten Chromgehalts, der eine hohe Beständigkeit gegen verschiedene Korrosionsarten bedingt, effektiv in säurehaltigen Umgebungen einsetzbar. Zum anderen verfügen sie im lösungsgeglühten Zustand über paramagnetische Eigenschaften, die aufgrund der Permeabilität für elektromagnetische Strahlung z. B. für Gehäuse in der Messtechnik gefordert wird. Gegenüber in der Anwendung verbreiteten austenitischen Werkstoffen bleiben die betrachteten CrMn-Stähle auch bei großen plastischen Verformungen paramagnetisch. Ohne den Legierungszusatz von bspw. hochpreisigem und global beschränkt zugänglichem Nickel wird eine sehr hohe Austenitstabilität erreicht.
Die spanende Bearbeitung des betrachteten HIS im anwendungsgerechten lösungsgeglühten Zustand ist aufgrund des außerordentlichen Verfestigungsvermögens mit großen Herausforderungen verbunden: Zum einen wirken hohe thermomechanische Belastungen auf das Werkzeug, die zu erheblichen Verschleißerscheinungen und schließlich zum Prozessabbruch führen. Sowohl das technologisch mögliche Zeitspanvolumen als auch die hohen Werkzeugkosten stellen den Schruppprozess damit als unwirtschaftlich dar. Zum anderen wird eine für die industrielle Fertigung notwendige Prozesseffizienz und Oberflächenqualität bei der Schlichtbearbeitung aufgrund der äußerst ungünstigen Spanformung sowie Gratbildung nicht erreicht. Für die qualitätsgerechte Fertigung im lösungsgeglühten Zustand sind nebenzeitintensive Prozessunterbrechungen sowie Nachbearbeitungen erforderlich, die durch angepasste Materialeigenschaften bei der Zerspanung vermeidbar werden.
Im Zusammenhang der Ausgangslage werden in diesem Forschungsvorhaben in Kooperation zwischen dem ISF und dem Lehrstuhl Werkstofftechnik der Ruhr-Universität Bochum Ansätze untersucht, die plausibel zu einer signifikanten Verbesserung der Zerspanbarkeit von HIS führen.
Gegenstand der Forschung auf werkstofftechnischer Ebene ist dabei eine Verbesserung der Zerspanung von HIS durch eine geeignete Wärmebehandlung, gefolgt von einer Wiederherstellung der Gebrauchseigenschaften durch eine weitere Wärmebehandlung nach der Zerspanung. Gezielt ausgeschiedene Karbonitride sollen den Werkstoff verspröden und als Spanbrecher fungieren. Hinsichtlich der spanenden Bearbeitung gilt es, die Zerspanbarkeit des veränderten Gefügezustands wissenschaftlich zu analysieren. Neben dem Vergleich zum lösungsgeglühten Ausgangszustand stellt vor allem die Charakterisierung des Spanformungsvorgangs die grundlegenden Mechanismen des veränderten Materialverhaltens dar. Die Ergebnisse dienen in der Folge als Grundlage für simulationsbasierte Ansätze zur Optimierung der Werkzeuggestaltung im Hinblick auf die Spanbildung. In Kombination mit der mikroskopischen Betrachtung der Spanbildungszone liefert dies die Basis für die Auslegung der Werkzeuge und der Kühlschmierstoffstrategie. Ziel ist es, mit einer iterativen Anpassung der Schneidkantenmikrogestalt sowie der Beschichtung Grundlagenwissen zur Bearbeitung der hochfesten CrMn-Stähle zu erarbeiten und durch die technologiegerechte Auslegung des Kühlschmierstoffkonzepts eine weitere Basis zur Steigerung der Verschleißbeständigkeit zu schaffen.
